Kündigungsrecht des Vermieters bei Mietminderung aufgrund Rechtsirrtums
BGH, Urteil vom 11.07.2012, Az. VIII ZR 138/11 (AG Freising, LG Landshut)
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt, dass ein Vermieter das Mietverhältnis u.a. dann außerordentlich fristlos kündigen kann, wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht, § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB.
Das Kündigungsrecht des Vermieters setzt also Verzug, d.h. ein Verschulden des Mieters voraus. Der Verschuldensmaßstab ergibt sich aus § 276 BGB, wonach der Mieter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat.
Aber wie sieht es aus, wenn der Mieter die Miete mindert, weil er von einem Mangel der Mietsache ausgeht, für den der Vermieter zuständig ist? Wie sicher sollte er sich sein, um nicht eine fristlose Kündigung des Vermieters zu riskieren, wenn der Minderungsbetrag die Höhe von zwei Monatsmieten erreicht?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Bundesgerichtshof in dem nachfolgenden Urteil.
Sachverhalt
Die Beklagten hatten von den Klägerinnen seit 01.07.2007 ein Einfamilienhaus gemietet. Im Dezember 2008 baten die Beklagten die Klägerinnen um Abhilfe, da sich in dem Haus – angeblich aufgrund baulicher Mängel – Schimmel und Kondenswasser bildeten. Die Klägerinnen lehnten eine Abhilfe ab, da sie den Mangel vielmehr auf das Heizungs- und Lüftungsverhalten der Beklagten zurückführten.
Die Beklagten minderten daraufhin für den Zeitraum März 2009 bis Juni 2010 die vertraglich vereinbarte monatliche Bruttomiete in Höhe von € 1.550,- um 20 %, d.h. um jeweils € 310,-.
Mit Schriftsatz vom 07.01.2010 sprachen die Klägerinnen eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund der Mietrückstände für März 2009 bis Januar 2010 in Höhe von insgesamt € 3.410,- aus. Die Klägerinnen verlangten daher Zahlung der Mietrückstände nebst Zinsen sowie Räumung des Hauses. Das Amtsgericht gab der Klage mit Urteil vom 27.05.2010 in vollem Umfang statt, nachdem die Einholung eines Sachverständigengutachtens ergeben hatte, dass ein zur Minderung berechtigender Mangel des vermieteten Hauses nicht vorliegt.
Die Beklagten glichen anschließend einen Teil der angelaufenen Mietrückstände aus, nämlich einen Betrag in Höhe von € 1.240,- für den Zeitraum Februar 2010 bis Mai 2010, und nahmen ab Juli 2010 unter Vorbehalt die ungeminderten Mietzahlungen wieder auf.
Während des folgenden Berufungsverfahrens vor dem Landgericht zahlten die Beklagten am 17.02.2011 an die Klägerinnen weitere € 3.720,- und glichen damit alle noch bestehenden Mietrückstände aus.
Kündigungsrecht des Vermieters trotz fahrlässiger Fehleinschätzung durch Mieter?
Der Bundesgerichtshof stellt zunächst fest, dass im Wohnraummietrecht kein Grund besteht, im Rahmen des § 543 BGB zu Gunsten des Mieters einen milderen Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Damit hat der Mieter sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit zu vertreten. Der Mieter trägt damit das Risiko einer fahrlässigen Fehleinschätzung im Hinblick auf die Ursache eines Mangels. Dies führt nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht zu einem unzulässigen Druck auf den Mieter. Dieser könne eine fristlose Kündigung vermeiden, indem er den seiner Ansicht nach angemessenen Minderungsbetrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung zahlt.
Damit hatten die Beklagten, die selbst einräumten, dass sie durch ihre Katzenhaltung in ihrem Lüftungsverhalten einschränkt waren, den Mietrückstand verschuldet. Dass sie bei Anwendung verkehrsüblicher Sorgfalt nicht hätten erkennen können, dass die Ursache der Schimmelpilzbildung in ihrem eigenen Wohnverhalten lag, haben die Beklagten nicht dargelegt.
Keine nachträgliche Heilung
Folglich lagen im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung mit Schriftsatz vom 07.01.2010 alle Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB vor. Der vollständige Ausgleich der Rückstände erfolgte erst im Februar 2011 und somit außerhalb der zweimonatigen Schonfrist. Eine Heilung der Verzugsfolgen gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist daher nicht erfolgt.
Der Räumungsanspruch der Klägerinnen ist begründet.
Zusammenfassung
Nach der Lektüre dieses Urteils wird es sich der ein oder andere Mieter wahrscheinlich zweimal überlegen, ob er bei Vorliegen von Mietmängeln die Miete mindert. Sollte das Gericht nämlich zu dem Schluss gelangen, er habe den Mangel selbst verschuldet, besteht für ihn neben dem finanziellen Risiko eines Gerichtsprozesses auch die Gefahr, dass ihm der Vermieter fristlos kündigt.
Der Hinweis des Bundesgerichtshofes, der Mieter könne das Kündigungsrisiko umgehen, indem er den Minderungsbetrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung an den Vermieter zahlt, bietet einen eher schwachen Trost. Da muss der Mieter im Falle seines Obsiegens nämlich hoffen, dass sein Vermieter solvent bleibt und nach Beendigung eines möglicherweise langwierigen Rechtsstreits noch in der Lage ist, die unter Vorbehalt gezahlten Minderungsbeträge an seinen Mieter zurückzuerstatten. Die Ansicht des Gerichts verlagert das Risiko von Zahlungsausfällen also zu Gunsten des Vermieters auf den Mieter.