BGH, Urteil vom 13.04.2011, Az. VIII ZR 223/10 (LG Hamburg)
Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mindert sich der Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Miete bei Mängeln der Mietsache kraft Gesetzes, d.h. der Mieter schuldet automatisch nur noch die reduzierte Miete, sobald die Voraussetzungen des § 536 BGB vorliegen.
Unsicherheit herrschte in der Vergangenheit darüber, ob ein Minderungsbetrag nur auf die Nettokaltmiete anzurechnen ist oder auch (anteilig) auf die Betriebskostenvorauszahlung. Diese Unsicherheit beseitigt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil und gibt gleich noch einen – für den ein oder anderen möglicherweise überraschenden – Hinweis, wie sich eine Mietminderung im Rahmen der Jahresabrechnung für die Betriebskosten auswirkt.
Sachverhalt
Die Beklagte hatte von der Klägerin eine Wohnung gemietet. Die monatliche Miete in Höhe von € 304,00 setzte sich aus der Nettokaltmiete in Höhe von € 250,53 plus einer Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von € 53,47 zusammen.
Für den Zeitraum August 2005 bis Juni 2006 hatte die Beklagte – von der Klägerin unbeanstandet – ihre monatlichen Mietzahlungen wegen Mängeln der Wohnung gemindert.
Aufgrund der Jahresabrechnungen für die Betriebskosten für die Jahre 2006 und 2007 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Forderungen auf Nachzahlung geltend. Bei der Berechnung dieser Nachforderungen hatte die Klägerin die Mietminderung der Klägerin anteilig auf die Nettokaltmiete und die Betriebskostenvorauszahlung angerechnet. Gleichzeitig hatte sie den auf die Beklagte entfallenden Jahresbetrag der Betriebskosten ungemindert in Ansatz gebracht.
Die Beklagte war der Ansicht, der Klägerin keine Nachforderungen zu schulden.
Anrechnung einer Mietminderung bei Betriebskostenvorauszahlungen
Zuerst beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob die anteilige Anrechnung der Mietminderung sowohl auf die Nettokaltmiete als auch auf die Betriebskostenvorauszahlung zulässig war. Alternativ wäre eine Anrechnung der Mietminderung ausschließlich auf die Nettokaltmiete denkbar.
Bei dieser Entscheidung handelt es sich nach den Feststellungen des Gerichts um ein Scheinproblem. Rechnerisch kämen beide Ansichten zu dem gleichen Ergebnis, da sich die Minderung auf die Gesamtmiete einschließlich aller Nebenkosten bezieht. Erst im Rahmen der Jahresabrechnung für die Betriebskosten stünde daher endgültig fest, ob eine Nachforderung des Vermieters oder ein Guthaben des Mieters besteht.
Der Bundesgerichtshof weist jedoch darauf hin, dass Gründe der Praktikabilität und der Übersichtlichkeit für eine ausschließliche Anrechnung des Minderungsbetrages auf die Nettokaltmiete sprechen können.
Auswirkung einer Mietminderung im Rahmen der Jahresabrechnung
Vorliegend scheiterte der Anspruch der Klägerin auf die geltend gemachten Nachforderungen an ihren fehlerhaften Jahresabrechnungen für die Betriebskosten.
Da die Klägerin die Mietminderung der Beklagten anteilig auch auf die Betriebskostenvorauszahlung angerechnet hatte, hätte sie nach den Ausführungen des Gerichts auch den auf die Beklagte entfallenden Jahresbetrag der Betriebskosten entsprechend reduzieren müssen.
Dies ist die unmittelbare Folge der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass sich eine Minderung immer auf die Gesamtmiete inklusive aller Nebenkosten bezieht. Dies führt ebenfalls dazu, dass der Betrag der Mietminderung den Betrag der Nettokaltmiete übersteigen kann, so dass der Mieter im Extremfall dem Vermieter weder die Nettokaltmiete noch die Betriebskosten schuldet.
Zusammenfassung
Auch wenn die systematische Stellung der Vorschriften über die Betriebskosten im Bürgerlichen Gesetzbuch im Unterkapitel „Vereinbarungen über die Miete“ für die Gesamtmiete einschließlich aller Nebenkosten als Grundlage für eine Mietminderung spricht, so führen die praktischen Auswirkungen zu teilweise seltsamen Ergebnissen. Übersteigt beispielsweise der Minderungsbetrag wegen eines Schimmelbefalls der Wohnung die Nettokaltmiete, so bleibt der Vermieter auch auf den Betriebskosten (teilweise) sitzen – unabhängig davon, ob z.B. die Müllabfuhr und die Treppenhausreinigung tadellos funktioniert haben.
Alle Mieter, die ihre Miete aufgrund von Mängeln der Wohnung gemindert haben, sollten nichtsdestotrotz diese Rechtsprechung zu ihren Gunsten nutzen und bei der Jahresabrechnung der Betriebskosten ganz genau nachsehen, ob die Mietminderung dort zutreffend berücksichtigt worden ist.