OLG Oldenburg, Urteil vom 27.05.2011, Az. 6 U 14/11 (LG Oldenburg)

Es ist schon erstaunlich, welche Vielfalt an Mustern das Internet bereithält. Für nahezu jeden Regelungswunsch findet sich dort eine passende Vertragsvorlage, sei es z.B. für den Gebrauchtwagenkauf oder den Erwerb eines Pferdes.

Die Verwendung von Musterformularen kann jedoch ungeahnte rechtliche Folgen haben.

Sachverhalt

Mit Vertrag vom 04.08.2009 kaufte der Kläger vom Beklagten einen gebrauchten PKW. Beide Parteien sind Privatleute, keine Kraftfahrzeughändler. Im Vertrag ist unter dem Punkt „Das Fahrzeug hat folgende Vorschäden/Mängel“ eingetragen: „reparierter Frontschaden“. Weiterhin enthält der Vertrag folgenden Gewährleistungsausschluss:

„Der Verkäufer übernimmt für die Beschaffenheit des verkauften Kraftfahrzeugs keine Gewährleistung.“

Nachdem der Kläger im Juni 2010 herausgefunden hatte, dass der PKW einen erheblichen Unfallschaden im Frontbereich mit Beeinträchtigung der Fahrzeugstruktur aufwies, erklärte er mit anwaltlichem Schreiben vom 09.07.2010 den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte vom Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich der zwischenzeitlich gezogenen Nutzungen durch Gebrauch des Fahrzeugs) Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW.

Der Beklagte berief sich auf den vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss und verweigerte die Rücknahme des Fahrzeugs.

Kein wirksamer Gewährleistungsausschluss

Die Voraussetzungen für einen Rücktritt des Klägers lagen grundsätzlich vor, das Fahrzeug wies einen Mangel i.S.d. § 434 BGB auf. Das bestritt der Beklagte auch nicht.

Spannend wurde es bei der Frage, ob der Beklagte im Kaufvertrag individualvertraglich wirksam seine Haftung für diesen Mangel ausgeschlossen hatte oder ob die Regelung anhand der einschränkenden Vorschriften gemäß §§ 305 ff. BGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu überprüfen ist.

Den vorliegend verwendeten Kaufvertrag hatte sich der Beklagte nämlich als Formular aus dem Internet heruntergeladen.

Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich bei dem Kaufvertrag daher um Allgemeine Geschäftsbedingungen, da er für eine mehrfache Verwendung vorformuliert worden war – ungeachtet der Tatsache, dass das Formular von einem Dritten zur Verfügung gestellt worden war. Der Beklagte, der diesen Kaufvertrag dem Kläger vorgelegt hatte, sei damit Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB. Folglich gelte für den Gewährleistungsausschluss das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 a und b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach dieser Vorschrift ist ein Haftungsausschluss für die Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit unwirksam. Das gleiche gilt für einen Haftungsausschluss, der auch grobes Verschulden einschließt. Da vorliegend der Gewährleistungsausschluss die Gewährleistung ohne Ausnahme ausschloss, verstößt dieser gegen § 309 Nr. 7 a und b BGB und ist somit unwirksam.

Da der Gewährleistungsausschluss nach den Ausführungen des Gerichts unwirksam war, verurteilte es den Beklagten, den Kaufpreis (abzüglich Wert der Nutzung) an den Kläger zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW.

Was sagt denn der Bundesgerichtshof dazu?

Ist es denkbar, dass eine Vertragspartei einen Mustervertrag nutzt und trotzdem nicht Verwender i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB ist?

Der Bundesgerichtshof hatte in einem früheren Urteil – ebenfalls aus dem Bereich des Gebrauchtwagenkaufs – die Verwendereigenschaft einer Vertragspartei etwas differenzierter beurteilt (BGH, Urteil vom 17.02.2010, Az. VIII ZR 67/09).

Nutzen die Vertragsparteien von einem Dritten vorformulierte Bedingungen, kommt es nach den Ausführungen des BGH darauf an, ob sich eine der Parteien die Bedingungen als von ihr gestellt zurechnen lassen muss, d.h. ob sie Verwender i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB ist. Da es bei Verträgen zwischen Verbrauchern keine gesetzliche Vermutung dafür gibt, welcher Beteiligte die Bedingungen gestellt hat, ist entscheidend, welcher Beteiligte den verwendeten Formularvertrag unter Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht zur Vertragsgrundlage erhoben hat. Hierbei lässt es der BGH bereits ausreichen, dass eine Partei (einseitig) den Wunsch äußert, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden. Die Verwendereigenschaft besteht laut BGH auch dann, wenn die andere Seite zwischen mehreren vorgegebenen Formulierungsalternativen wählen kann. Die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen wird nach Ansicht des BGH nur durch die freie Entscheidung der anderen Vertragspartei ausgeschlossen, d.h. sie muss in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei sein und insbesondere Gelegenheit erhalten, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen.

Zusammenfassung

Es ist schon überraschend, sich allein aufgrund der einmaligen Verwendung von Musterformulierungen – z.B. aus dem Internet – plötzlich in den AGB-Vorschriften der §§ 305 ff. BGB wiederzufinden. Dies umso mehr, als diese Rechtsprechung nicht nur Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenkauf hat, sondern eine Vielzahl von Verträgen betrifft. Beispielhaft erwähnt seien nur Pferdekaufverträge, für die es online zahlreiche Formulare gibt.

Vor der Verwendung eines Formulartextes haben die Parteien daher idealerweise über den zu verwendenden Vertragstext ergebnisoffen gesprochen – und dies dokumentiert.

War dies nicht der Fall, sollten Sie bei der Verwendung von Musterformulierungen stets an eine Überprüfung anhand der AGB-Vorschriften gemäß §§ 305 ff. BGB denken.

Alle diese Probleme können Sie aber dadurch umschiffen, indem Sie einen individuellen Vertrag entwerfen (lassen).